Revolutionaries
all,
dreamed of liberation
Nachdem die Hippie-Aufbrüche vorübec waren und in trübes
70er Business as usual übergingen, weigerten sich .einige wenige
Hippie-Kollektive, das so geschehen zu las- sen. Eines waren die immer
schon am wenigsten auf elitäTen.Strukturen aufgebau- ten Grateful
Dead, ein anderes Quicksilver, deren exzentrisch-sentimentater Sänger
Dino Valente die HofFnung nicht aufgeben wollte. In "Hope" von
1971 wendet er sich gegen Defaitismus und Verzweiflung: wer all die Änderungen
zum Besseren niçht sähe, müsse doch blind sein. Die of&zielle
Rock- Geschichtsschreibung hat diese Quick- silver Jahre immer als Niedergäng
beschrie- ben. Die Weigerung, dem melancholisch- individualistischen Singer-Songwritertum
der Me-Decade zuzuarbeiten, wurde als eine nostalgische Sentimentalität
gedeutet, was sie unmittelbar nach den Jahcen der Revolte noch gar nicht
sein konnte. An sich war es ja gar keine falsche Politik, die Klientel,
die zu gründende, auf Krone der Schöpfung einem neuen "Wir"
basierende Gruppe, egal woher ihre Mitglieder kommen mochten, zunächst
mal präventiv zur Krone der Schöpfung zu erklären, wie
JefFerson Airplane das machten. Die Ideologen dieser 1972 aufgelösten
Band. (Paul Kantner; Grace Slick) taten sich 1973 noch einmal mit David
Freiberg von Quicksilver und diversen anderen West-Coast-Musikern zusammen,
um auf der LP Baron von Toll6ooth Fr the Chrome Nun ihre politischen und
religiösen Manifeste unter veränderten, enteuphorisierten Bedingungen
Revue passieren zu lassen. Da werden einerseits Namen von "Revolutionären"
zur patheti- schen Einheitsfront vereint ("Paine and Pierce and Robbespierre,
Juarez and Dan- ton, Luther King and Lumumba - dead but far from gone
/ Lenin, Cleaver, Jesus too - outlaws in their nations, revolutionaries
all dreamed of liberation..."), andererseits wird die Sehönheit
des Möments besungen, wenn der Geist den Körper verlässt,
wobei unklar bleibt, ob von Tod oder Drogen- erfahrungen die Rede ist
("Your mind has left your body / Be aware if you care"). Das
allgemeine Angetörntsein, die Bestimmung des "Wir" mangels
klarerer Werte über die Blödheit der anderen festzumachen, war
in eine metaphysische Bestimmung dieser Blödheit umgeschlagen: die
Nicht-Revo- lutionäre waren halt noch in ihren Körpern steckengeblieben.
Die keine Kinder der Sonne waren oder werden konnten. waren jetzt diejenigen,
die in der Me-Decade daran scheiterten, ihre spezifische Ent- täuschung
in ein individuelles kulturelles Kapital im Sinne der Konjunktur der Singer-Songwriter
zu konvertieren, welche die Hippie-Bands beerbten. Joni Mitchell fand
ein paar Jahre nach der Lobpreisung der Woodstock-Nation auch fur diese
indi- viduellen Debakel die passenden. Worte: "Why do all romantics
have to end.the same way cynical and drunk and boring someo- ne in some
dark cafe?" Die andere Mög- lichkeit, mit dem neuen "Wir"
konstruktiv, sowohl für die Menschheit wie für sich selbst (die
eigenen Kärrieren), umzugehen. waren grüne Bewegungen. Die so
willkür- liche wie strategische Definition eines Werts wie dem des
Angetörntseins erhielt sich eher in den. Hipness; Vorstellungen von
Glam, Punk, Popism, , HipHop etc. als zumindest formale bzw strategische
Vor- gehensweise. Inwieweit die beiden Essentials, die von allen problematischen
Entstehungsbedingungen einmal abgesehen am Anfang standen - Ablehnung
des Privateigentums und emphatische Bejahung eines poetischen Subjekts
-, noch als Restbestände auffindbar und an zeitgemässe Strategien
anschliessbar sind, bleibt eine anderweitig zu klärende Frage.
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Diedrich
Diederichsen/Juliane Rebentisch.
DiesemText liegt eine Radiosendung zugrunde.
die für RadioTM (auf Radio Lora) im Zu-
sammenhang des Ausstellungs-/Veranstaltungs-
projekts \'nturc·TM in der Shedhalle Zürich (7. 9.
- 12. I 1. 1995) produziert wurde.
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